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Die Fuggerzeitung als erstes Mitarbeiter- und Kundenmagazin des 15. Jh.

Sie führten eines der größten Unternehmen der Welt, kauften sich Kaiser und Könige und waren die wichtigsten Bankiers der Habsburger. Doch die Kaufmannsfamilie Fugger hat auch Spuren in der Mediengeschichte hinterlassen. Die Fuggerzeitung diente der internen und externen Kommunikation, war Mitarbeiter- und Kundenzeitschrift in einem – und somit das erste Corporate-Publishing-Produkt der Neuzeit.

Als sich der Weber Hans Fugger 1367 in Augsburg niederließ, ahnte niemand, dass bereits unter seinem Enkel Jakob die Fugger zwischen 1495 und 1525 die bedeutendsten Kaufleute, Bergbauunternehmer und Banker Europas sowie Augsburg eines der bedeutendsten Wirtschaftszentren der Welt werden sollte. Die Grundlage des Vermögens schufen die Fugger durch den Baumwollhandel mit Italien, ausgebaut wurde es, nachdem Jakob mit zwei Brüdern in Bankgeschäfte mit den Habsburgern einstieg. Parallel dazu engagierten sie sich im Silber- und Kupferbergbau in Schwaz, in Tschechien und der Slowakei, ab 1525 kamen die Rechte zum Abbau von Quecksilber und Zinnober in Kastilien dazu.

Um den Handel quer durch Europa organisieren zu können, gründeten die Fugger in wichtigen Städten wie Venedig, Lissabon oder Antwerpen, aber auch Innsbruck, Hall und Schwaz sogenannte Faktoreien, dazu kamen weit über 30 kleinere Niederlassungen, Bergwerke und Verarbeitungsbetriebe. Um die Kommunikation zwischen den Geschäftsstellen aufrecht zu erhalten, schaute sich Jakob Fugger das System der europäischen Herrscher ab und richtete einen eigenen Kurierdienst ein. Mit berittenen Boten wurden geschäftliche Informationen quer durch Europa verschickt, die Briefe enthielten aber auch durchaus politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Neuigkeiten. Im Laufe der Jahrzehnte wurden aus diesen eingestreuten Informationen eigene handgeschriebene Nachrichtenbeilagen. Diese konnten ab 1490 auch mit dem E-Mail der damaligen Zeit transportiert werden – das von der italienischen Kurierfamilie von Taxis aufgebaute Postsystem konnte Nachrichten gegen Bezahlung mit einer Geschwindigkeit von 6,6 Kilometer in der Stunde befördern.

Die Fugger ließen sich jedenfalls Nachrichtenbeilagen aus ganz Europa nach Augsburg schicken, sichteten dort die Informationen und ließen daraus wiederum eigene Zeitungen schreiben, die sie ihren Faktoreien, aber auch anderen Kaufleute, Kunden und Geschäftspartner zustellten. Die Nachrichten aus Augsburg erhielten bald einen Namen – die Fuggerzeitung. Und die „Auflage“ war für die damalige Zeit gewaltig: Allein die von den Brüdern Octavian Secundus und Philipp Eduard Fugger angelegte Sammlung der Fuggerzeitungen in der österreichischen Nationalbibliothek umfasst über 15.000 Zeitungen und rund 1.000 ergänzende Dokumente aus den Jahren 1568 bis 1605. Inhaltlich befasste sich die großteils auf deutsch verfasste fuggersche Unternehmenskommunikation hauptsächlich mit politisch-militärischen Belangen, aber auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Berichte fanden ihren Platz in den „Fugger News“, die als „Corporate Letter“ die Basis für Corporate Publishing schufen, lange bevor 1605 in Straßburg die erste gedruckte Zeitung das Licht der Welt erblickte. [AH]

Foto: Österr. Nationalbibliothek

Über das Layout der ersten CP-Zeitung lässt sich streiten: Die älteste Fuggerzeitung aus dem Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek stammt aus dem Jahr 1568. Mehr als 100 Jahre zuvor hatte in Mainz Johannes Gutenberg durch die Verwendung von beweglichen Lettern die herkömmlichen Methoden der Buchproduktion revolutioniert. Zum Einsatz kam der Buchdruck allerdings nur für Bücher und Flugschriften, Zeitungen wurden noch lange handgeschrieben.